Praxis für Homöopathie
Thomas Mickler
Heilpraktiker
Aktienstr. 175
D-45473 Mülheim an der Ruhr

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Constantin Hering: Ein Patient, der auf die richtige Diagnose wartete.
(oder: Der 1822er Rheinwein)


Weil jeder Arzt ihm wegen seiner Krankheit eine andere Diagnose stellte und eine andere Behandlung vorschlug, will ein "reicher Kauz" sich erst behandeln lassen, wenn er von drei Ärzten unabhängig voneinander genau die gleiche Behandlung verordnet bekommt, um sich der Qualität der empfohlenen Behandlung zu versichern.
Unglaubliche 477 Ärzte hat er schon hinter sich, da trifft er zufällig auf den jungen, enthusiastischen homöopathischen Arzt Constantin Hering, der die Geschichte aufgeschrieben hat.

Hering trug als einer der direkten Schüler Hahnemanns wesentlich zur Verbreitung der Homöopathie in Amerika bei. Er hatte als Student an der Chirurgischen Akademie in Dresden von dem Chirurgen Jakob Heinrich Robbi (1789-1820) den Auftrag bekommen, ein Buch gegen die Homöopathie zu verfassen. Nachdem er jedoch am eigenen Leib die Heilung einer damals schwer zu behandelnden Sektionsverletzung erfahren hatte, wurde es nichts mehr mit dem Buch. Statt dessen widmete er sich nach Beendigung seines Studiums in Würzburg (Examen u.a. bei Johann L. Schönlein) selbst der Homöopathie.


-- Auf meinen Reisen kam ich einst in ein Dorf, da ließ mich der Edelmann einladen, die Nacht, statt in der Schenke, bei ihm zu bleiben. Es war ein reicher Kauz, wie gewöhnlich krank dabei, hatte Langeweile und guten Wein. Als er hörte, daß ich ein junger Doktor wäre, der sich so eben auf Reisen begeben, sagte er, er wolle lieber, daß sein Sohn ein Scharfrichter würde. Als ich mich deß wunderte, brachte er ein großes Buch herbei und erzählte mir: er sey vor zwanzig Jahren krank geworden, aber nicht am Verstande, und da hätten sich zwei berühmte Doktoren gezankt über seine Krankheit, er habe also keinen von beiden genommen, und ihre Arzneien noch weniger, aber die Sache in ein Buch geschrieben. Hierauf sey er aber nicht gesund geworden, sondern auf Reisen gegangen, Willens, wenn er drei Aerzte finden könne, die es über ihn einig wären ohne Absprache, dann deren Kur zu brauchen, aber auch keine andere. Darum habe er fast alle berühmten Aerzte, und noch einige unberühmte um Rath gefragt, und bei aller seiner Plage sey er dem ersten Vorsatze treu geblieben, habe jedes Mal den guten Rath hier ins Buch eingetragen, aber noch keinen übereinstimmenden habhaft werden können, daher auch keinen einzigen befolgt, sey zwar immer noch krank, aber doch wenigstens am Leben geblieben. Uebrigens koste ihn das Buch ein schweres Geld.

Das Buch war wie ein Comptoirbuch eingerichtet, in groß Folio, Tabellenform. Da standen in der ersten Rubrik die Namen der Aerzte alle numerirt; es waren ihrer 477; in der zweiten standen die Namen seiner Krankheit, so wie die wesentlichen Naturen des Uebels erörtert, es waren 313 Verschiedenheiten numerirt, als die wichtigern; in der dritten standen die vorgeschlagnen Mittel, es waren 892 Recepte, in denen, zufolge des mit Sorgfalt angelegten Registers, 1097 verschiedene Heilmittel verordnet waren. Die Summen standen unter jedem Folio angegeben. Er nahm eine Feder und sagte trocken: Wollen Sie mir nicht auch etwas rathen, ich will's eintragen unter Nro. 478. Ich hatte aber keine Lust, sondern fragte ihn nur, ob denn Hahnemann nicht dabei wäre. Er schlug ihn lachend auf Nr. 301. Krankheitsname 0. Mittel 0. Das ist der gescheuteste von allen, rief er, der sagte: der Name der Krankheit der ginge ihn nichts an, und der Name der Mittel, der ginge mich nichts an; die Hauptsache wäre nur die Heilung. Warum aber, fragte ich, er sich von diesem Gescheutesten nicht behandeln lasse? Weil er nur Einer ist, ich aber drei will, die es eins sind. Ich fragte: ob er wohl etliche hundert Thaler an einen Versuch wenden wolle, dann könnte ich ihm nicht drei, sondern drei und dreißig Aerzte namhaft machen an ganz verschiedenen Orten, Ländern und Weltgegenden, die alle übereinstimmen würden. Er zweifelte, doch beschloß es zu wagen. Nun machten wir eine Beschreibung seiner Krankheit, und er schickte dieselbe, sobald die Kopien fertig waren, an drei und dreißig verschiedene homöopathische Aerzte, legte in jeden Brief einen Louisdor - manche der Leser werden sich dessen vielleicht noch erinnern - und ersuchte: ihm die Mittel namentlich anzugeben, welche ihm seine Krankheit, wo nicht heilen, doch fürerst verbessern könnten.

Vor Kurzem erhielt ich ein Faß Rheinwein von 1822. Zweiundzwanziger schicke ich Ihnen, schrieb er, denn zwei und zwanzig stimmten in ihren Antworten überein. Da sahe ich, daß Sie Recht hätten, und es noch eine Sicherheit gäbe in der Welt. Ich schaffte mir die Werke an, um dahinter zu kommen. Unter fast zweihundert Mitteln wählten zwei und zwanzig Aerzte, und alle dasselbe. Mehr war nicht zu verlangen. Der nächste behandelte mich, und ich schicke Ihnen den Wein, damit ich vor Freuden über meine zunehmende Gesundheit nicht zu viel trinke.

Jedem, der die Wahrheit der Geschichte bezweifeln sollte, steht dies frei. Aber wenn sich ein Kranker davon überzeugen will, so mache er nur die Probe darauf, und thue so wie jener Kauz. Er vergesse aber die Louisdore nicht, und für mich das Fäßchen Rheinwein.


Quelle:
Constantin Hering: Gelegentliche Betrachtungen [...] nebst verschiedenen merkwürdigen Neuigkeiten. In: Hering, C.: Medizinische Schriften, Bd. 1, S.382-384. Hrsg.: K.-H. Gypser. Göttingen: Burgdorf Verlag 1988.

 
   
 
  © Thomas Mickler zuletzt aktualisiert: 09.12.2005