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G.H.G. Jahr: Ein Fall von schmerzlosem Durchfall - ein Beispiel zur Selbstbehandlung in der HomöopathieAn diesem Fall von G.H.G. Jahr aus seinem
Buch "Therapeutischer Leitfaden für angehende Homöopathen"
kann man dreierlei lernen: Wie dem nun aber auch sei, so halte ich die Praxis der Kügelchen in einer einzigen Gabe für eine, mit wenigen aber fest bestimmten Ausnahmen, nicht genug anzupreisende, von deren Vortheile Jeder, der sie nur versuchen will und seine Mittel passend zu wählen versteht, sich sehr bald durch die Erfahrung überzeugen wird. Ja sogar in den Fällen, wo der beste Mittelkenner zwischen zweien oder dreien in seiner Wahl schwankt, gewährt sie noch den Vortheil, dass, wenn das Mittel unpassend gewählt war, man da, wo es nur in einzigen Gabe gereicht worden, viel schneller mit Sicherheit des Erfolges zu einer andern übergehen kann, als da, wo in Folge mehrerer Gaben das vorhergegangene Mittel doch nothwendigerweise immer noch durch das neue hindurchwirken und so den Einfluss desselben stören muss. Und dann halte man ja doch das fest, dass da, wo sich (exceptis excipiendis) auf eine Gabe von 2, 3 Kügelchen in einer verhältnissmässig erforderlichen Zeit auch nicht die geringste, günstige Veränderung im Zustande des Kranken zeigt, sicher 2, 3 Kügelchen eines besser gewählten Mittels mehr ausrichten werden, als verstärkte und wiederholtere Gaben des ersteren. Einen der auffallendsten Belege zu dem Gesagten habe ich erst neulich noch bei einem Manne gesehen, der sich oft selbst zu behandeln pflegte, und der während eines etwas kalten Tages plötzlich einen heftigen, anfangs schmerzlosen Durchfall bekommen hatte. Da er sich verkältet zu haben glaubte, nahm er zuerst eine Gabe Dulcamara, die aber nichts half, sondern sogar unverdaute Stühle herbeiführte, worauf er dann erst China, dann Phosphor, dann Bryonia mit demselben Erfolge nahm, indem er nichts weiter erzielte, als dass die Stühle wohl immer anderer Beschaffenheit wurden, die Heftigkeit des Durchfalls aber dieselbe blieb. Da er nun bemerkt zu haben glaubte, dass Phosphor ihm doch gut gethan, indem es das Unverdaute in den Stühlen beseitigt hatte, so meinte er, die Schuld des nur halben Gelingens läge an der Kleinheit der Gabe und nahm das Phosphor in grösseren, wiederholten Dosen, ohne etwas Anderes zu erzielen, als das Unverdaute in den Stühlen wiederkehren zu sehen. Dies hob China, aufs neue genommen, nun zwar sehr schnell, machte aber, da er es diesmal ebenfalls in grösseren, wiederholteren Gaben nahm, den Durchfall selbst nur noch ärger, indem es ausserdem noch Blähungsbeschwerden hinzufügte. Nun sandte er zu mir, und kaum war ich angekommen, als er einen neuen Stuhl hatte, der mit grosser Blähungsgewalt wie in einem Sturze von ihm herausging, sehr übel roch und an Farbe und Consistenz absolut gährenden Hefen glich. Diese Beschaffenheit des Stuhles, verbunden mit dem Vorgebrauch der China, liess mich unbedingt an Ipecacuanha denken, von deren 30. [Anm.: C30] ich ihm 2 Kügelchen auf die Zunge legte, ihm das Versprechen abfordernd, nun aber auch kein anderes Mittel mehr ohne meinen Rath zu nehmen. Da es Abend und der Mann ein Freund von mir war, blieb ich den Abend in seiner Familie, und schon eine Stunde nach dem Einnehmen sagte er mir: "Doctor, ich glaube, Sie haben das Rechte getroffen; ich fühle mich wohler im Leibe, als seit zehn Tagen." Und der Mann hatte Recht. Es kam von dem Augenblicke des Einnehmens an kein Stuhl mehr, sondern eine dreitägige Verstopfung, die ihn sehr freute. So helfen die Mittel in einer einzigen Gabe, wenn sie passend gewählt sind, und so wenig hilft die Verstärkung und Vervielfältigung derselben, wenn sie nicht passen. Quelle: © 2007 Copyright (html) Th. Mickler |
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