Praxis für Homöopathie
Thomas Mickler
Heilpraktiker
Aktienstr. 175
D-45473 Mülheim an der Ruhr

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- M. Werlhof
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G. H. G. Jahr
Unerwartete Heilung einer Blutfleckenkrankheit (Werlhof-Krankheit) mit Arsenicum album


Sehr ernster Fall, der darstellen kann, was auch im Extremfall mit einer homöopathischen Behandlung noch möglich sein kann - auch bei hochakuten Krankheiten.
Fälle wie diesen wird man heutzutage in westlichen Ländern wohl kaum in der homöopathischen Praxis zu sehen bekommen, doch zu der Zeit, als diese Patientin behandelt wurde - vor 1869, gab es nicht viele erfolgversprechende Alternativen zur Homöopathie.

Heute wird diese Krankheit - es handelt es sich hierbei um die sog. Werlhof-Krankheit (=Idiopathische thrombozytopenische Purpura) - mit Kortikosteroiden behandelt. Dann Splenektomie (Entfernung der Milz), falls sich bei chronischem Verlauf mindestens 6 Monate keine Besserung zeigen sollte. Und wenn das auch nicht hilft, als Ultima Ratio, die Immunsuppression (Unterdrückung der fehlgeleiteten körpereigenen Abwehr).


... In Betreff dieses letzteren namentlich, das ich früher noch nie gegen diese Krankheit angewandt hatte, kann ich zugleich nicht umhin, einen der allerverzweifeltsten Fälle dieser Krankheit mitzutheilen, der wohl je nur in der Praxis vorkommen kann.

Es war eines Abends, als ich zu einer jungen in grosser Dürftigkeit lebenden Dame gerufen wurde, die vielleicht seit mehr als sechs Wochen mit dem höchsten Elend gekämpft und zuweilen im Laufe einer Woche nur drei oder vier Tage gehabt, wo sie etwas zu essen hatte. Der Grund, für den mich einer ihrer Verwandten zu ihr führte, war ein in einen wahren Blutsturz übergegangener Regelfluss, der die Kranke bereits so entkräftet hatte, dass sie nicht mehr das Bett verlassen konnte.

Ich verschrieb China 2/30 in Wasserauflösung, alle halbe Stunden einen Theelöffel voll zu nehmen und versprach den andern Morgen bei Zeiten wieder zu kommen. Den folgenden Morgen aber war nicht nur der Mutterblutfluss noch um nichts gebessert, sondern es hatten sich auch Blutungen aus Mund und Nase noch dazu gefunden, auf der Körperhaut aber war noch nichts Besonderes zu sehen.

Ich verschrieb nun Phosph. 2/30 in Wasser auch von diesem alle halbe Stunden einen Theelöffel voll zu nehmen, und später, wenn die Blutung abgenommen habe, nur alle Stunden, bis zu meiner Wiederkunft am Abend.

Den Tag über hatte man indessen nochmals zu mir gesandt mit dem schriftlichen Bemerken, dass die Blutung immer mehr zunehme und die Kranke aus einer Ohnmacht in die andere falle. Da ich aber, als dieser Brief ankam, nicht zu Hause war, so konnte ich erst Abends wieder hingehen und fand nun die Kranke in dem allertrostlosesten Zustande. Zu den immer noch fortgehenden Blutungen aus Gebärmutter, Mund und Nase hatten sich nicht nur im Munde, sondern auch auf der Haut des ganzen Körpers thalergrosse Flecke und Blasen gebildet, welche reines Blut aussiekerten, und die Kranke selbst, vor der Hand noch bei vollem Verstande, lag da wie eine Leiche, mit todtenblassem, hippokratischem Gesicht, matten, glanzlosen Augen und an allen Gliedern eiskalt, wie ein entseelter Körper.

Obgleich ich selbst nun in der That Alles für verloren hielt, wollte ich ihr doch auch nicht gerade mit eigenem Munde den letzten Todesstoss geben und legte ihr daher mehr nur pro forma, als in ernstlicher Hoffnung, 2/30 Arsen. trocken auf die Zunge, indem ich zugleich dieselbe Gabe in Wasser verschrieb, mit dem Bedeuten, hiervon geradeso wie von den beiden vorigen Mitteln Gebrauch zu machen, mich aber, wenn ja etwas vorfalle, sogar in der Nacht davon in Kenntniss zu setzen. Die Nacht über kam keine Botschaft, den folgenden Morgen um sieben Uhr aber erhielt ich einen schon den Abend zuvor, gleich nach meinem Weggehen geschriebenen Brief, worin man mich bat, mir keine unnöthige Mühe mit einem neuen Besuche zu machen, weil man zu einem Arzte aus der alten Schule gesandt habe.

Dabei blieb die Sache und ich glaubte das arme Mädchen seit Monaten schon begraben, als eines Tages, ohngefähr sechs Monate nachher, ein junges Ehepaar zu mir eintrat, und der junge Mann, den ich nicht kannte, mich fragte, ob ich mich wohl erinnere, vor etwa sechs Monaten ein an ungeheueren Blutungen im Sterben liegendes junges Frauenzimmer behandelt zu haben. "Ja wohl !" antwortete ich, "und wenn man keinen andern Arzt genommen, sondern meine letzte Verschreibung fortgebraucht hätte, würde sie vielleicht haben gerettet werden können." "Das hat sie auch gethan !" fiel darauf die junge, zwar etwas bleiche, doch sonst recht wohl aussehende Frau ein: "sie hat Ihre Arznei fortgebraucht und die des Andern weggeschüttet, und darum steht sie jetzt hier gerettet und verheirathet vor Ihnen, um Ihnen ihren Dank zu bezeugen und Sie nach ihrer Schuldigkeit zu fragen."

Dass ich meinen Sinnen nicht traute, als ich dies hörte, wird mir ja wohl gern Jeder glauben; es war aber so, wie sie es sagte, und jemehr sie sprach, um so mehr erkannte ich die Stimme und die Gesichtszüge meiner früheren Patientin wieder und erfuhr nun, dass der Arzt, den ihr Verwandter (ein Vetter ihres nunmehrigen Mannes) hatte rufen lassen, diesem gesagt, es sei Alles verloren, sie werde den nächsten Morgen nicht erleben; er wolle aber doch Etwas verschreiben und den nächsten Morgen wiederkommen. Ehe aber seine Verschreibung ankam, hatten die zwei Kügelchen (Arsen.), die ich ihr auf die Zunge gelegt, schon eine merkliche Abnahme in den Blutungen hervorgebracht, so dass man nun die verschriebene Wasserauflösung fortsetzte und dieselbe sogar, da es während des Gebrauches derselben immer besser ging, ohne mein Vorwissen in der Apotheke hatte erneuern lassen, so dass die Kranke acht Tage später wieder vollkommen auf den Beinen war.

Solche Wunder thun die Mittel auch in den kleinsten Gaben, wenn sie passen!


Quelle:
G. H. G. Jahr, Therapeutischer Leitfaden, S. 269 f, Leipzig, 1869 (Nachdruck Bernd von der Lieth, Verlag für homöopathische Literatur, Hamburg) [s. Fachverlage unter "Links"]



Kurzglossar:

2/30:                  2 Milchzuckerkügelchen einer Arznei in C 30.
China                 China officinalis, Chinarindenbaum
Phosph.             Phosphorus, gelber Phosphor
Arsen.                Arsenicum album, Arsentrioxid
Mutterblutfluss   Blutung aus der Gebärmutter

 
   
 
  © Thomas Mickler zuletzt aktualisiert: 25.07.2001